Expert*innenkommentarzum Medium
Titel | Loverboys - Was tust Du aus Liebe? - Was würdest Du aus Liebe tun? |
Herausgeber o. Institution | Mädchenhaus Hannover, die Beratungsstelle Kobra, der Jugendschutz der Stadt und der Region Hannover und Violetta sowie Politik zum Anfassen e.V. |
Erscheinungsjahr u. Auflage | 2015 |
Umfang | 22 Minuten Film + 20 Seiten Booklet |
Downloadmöglichkeit | Booklet und Film über: http://www.violetta-hannover.de/materialien/broschueren/loverboys-was-wuerdest-du-aus-liebe-tun Booklet: http://www.violetta-hannover.de/sites/default/files/daten/dokumente/projekte-fachkraefte/booklet_loverboys3.pdf |
Onlineverfügbarkeit | Film verfügbar bei Youtube https://www.youtube.com/watch?v=aGBFKkufCcc |
Preis | kostenfrei |
Medienformat/Format | Kurzfilm und Handreichung |
Inhaltliche Beschreibung
Das Material „Loverboys - Was tust Du aus Liebe? - Was würdest Du aus Liebe tun?“ schildert eine der neueren Risiken bezüglich sexualisierter Gewalt. Es besteht aus einem Video und dem dazu gehörenden Themenheft. Das Material ist für die Präventionsarbeit mit Jungendlichen ab 13 Jahren ausgewiesen. Es spricht aber auch Lehrer*innen und pädagogische Fachkräfte als Durchführende an.
Das Video erzählt die Geschichte eines Mädchens, das sich in einen Loverboy verliebt und von ihm in die Prostitution gedrängt wird. Begleitend werden Szenen eingespielt, in denen Passant*innen auf der Straße zur Frage ‚Was würdest du aus Liebe tun?‘ erzählen, was sie selbst schon einmal für die Liebe getan haben. Dazu zeigt der Film auch Beiträge von Polizei, Beratungsstelle und einer Selbsthilfegruppe für Eltern, deren Töchter Opfer eines Loverboys wurden. Die Beiträge beleuchten rechtliche Aspekte, zeigen Beratungsmöglichkeiten und geben Informationen für Eltern im Umgang mit einem betroffen Kind.
Im beigelegten Themenheft wird ausführlich zum Thema Loverboys informiert. Strategien und rechtliche Aspekte werden dargestellt. Infos zum Thema sind für Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern aufbereitet.
Daneben gibt das Heft Anregungen und Handlungsanleitungen für den Einsatz des Materials.
Expert*innenkommentar zur Eignung des Materials für die primärpräventive Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
Die Perspektive und Problematik aus Sicht der Betroffenen (Opfer) sowie der Außenstehenden (Eltern) wird sehr vielschichtig dargestellt.
Besonders zu betonen ist, dass es sich hier um ein Schulprojekt handelt, d.h. Idee, Entwicklung und Umsetzung ist mit Schüler*innen gemeinsam entstanden. Dies fördert generell die kognitive Auseinandersetzung mit der Thematik.
Die generelle Fragestellung: „Was tust du aus Liebe?“ und die damit verbundene offene Umfrage von Menschen auf der Straße, lässt den Begriff Liebe sehr breit andenken und macht deutlich, dass Liebe kein Machtmittel ist und nie missbraucht werden darf. Das Thema Loverboys wird verständlich dargestellt und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Gelungen dargestellt ist die Beziehungszwickmühle, in der das Mädchen (die Betroffene) steckt: Zwischen Freundin und Lover. Die Gefahr der langsamen Entfernung aus dem gewohnten, langjährig entstandenen Umfeld und den Beziehungen zu Familie und Freund*innen.
Die Fachbeiträge arbeiten die wesentlichen rechtliche Aspekte heraus und verdeutlichen das Erleben der Opfer und die typischen Täterstrategien. Zudem wird die Täter-Opfer-Dynamik mit der Geschichte gut herausgearbeitet. Diese ist für den*die Betrachter*in verständlich dargestellt und fördert die positive Identifikation mit Betroffenen. Die Straßeninterviews regen dazu an, sich selbst mit der Frage „Was würdest du aus Liebe tun?“ auseinanderzusetzen und sich darüber in der Gruppe auszutauschen. Über die Interviews wird ebenfalls die Auseinandersetzung mit Grenzen, Grenzverletzungen und Machtmissbrauch in Liebesbeziehungen gefördert.
Das Ende kann aus zweierlei Sicht beurteilt werden: zum einen ist es schade, dass es keinen Ausweg/ keine Lösung anbietet, dies sollte in einem Präventionsfilm primär der Fall sein. Auch die Integration von Hilfsorganisationen und Beratungen gibt eigentlich kein richtig positives Angebot wieder, das Jugendlichen helfen könnte, sondern konzentriert sich eher auf die Darstellung der gefährlichen Problematik. Auf der anderen Seite entspricht das Ende vielfach der Realität, dass viele Mädchen eine gewisse Zeit benötigen, um sich – wenn überhaupt – aus dieser Macht- und Abhängigkeitssituation lösen zu können.
Insgesamt ist das Material ab einem Alter von 15 Jahren sehr gut einsetzbar. Die szenische Darstellung der Loverboymethode spricht 13-jährige Jugendliche eher weniger in ihrer Lebenswelt an. Etwas zu übertrieben scheint die Situation mit sehr teuren Geschenken, also z.B. die Reise. Die vielen Informationen der Interviews könnten jüngere Jugendliche überfrachten.
Das Booklet ist zu knapp gestaltet. Es zeigt zwar rechtliche Rahmenbedingungen, nennt Beratungsstellen, gibt aber wenig Hinweise und Anregungen, weder für ein konzeptionelles Arbeiten in der Schule noch ein nachhaltiges Wirken. Für das Arbeiten in der Klasse ist der Film gut einzusetzen, allerdings erfordert es vom Lehrpersonal eindeutig mehr Arbeit bei der Vorbereitung bzw. Nachbereitung, da eine konkrete Arbeitsanleitung fehlt.
Informationen zum Kommentar
Die Inhaltsangaben und Expert*innenkommentare wurden von Tandems, bestehend aus Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis, vor dem Hintergrund ihrer fachlichen Perspektive vorgenommen und vom Forschungsteam redaktionell überarbeitet. mehr
Empowermentkritik
Empowerment ist ein bedeutsamer Ansatz, allerdings dürfen dabei reale Machtverhältnisse nicht ausgeblendet werden. Es besteht eine Diskrepanz zwischen subjektiv gestärkter Vorstellung von Selbstbestimmung und Wirkmächtigkeit auf der einen und realer Ohnmacht gegenüber Gewalthandlungen von Täter*innen auf der anderen Seite. Dies kann die Selbstzuschreibung von Verantwortung für die Tat und Schuldgefühle bei Opfern sexualisierter Gewalt massiv verstärken.