"Die Erarbeitung der Präventionsinhalte muss durch vielfältige Angebote geschehen, die den Mädchen und Jungen ein eigenständiges Erproben und ein Handeln mit allen Sinnen ermöglichen. Präventionsarbeit muss möglichst früh, ganzheitlich, öfter wiederkehrend und handlungsbezogen erfolgen, wenn sie eine längerfristige Wirkung haben soll!
Inzwischen liegen eine Reihe von Medien und Materialien zur Präventionsarbeit vor, mit denen dieser Anspruch erfüllt werden kann. Es gibt Spiele, CDs, Hörspiele, Computerspiele und Filme. Besonders hilfreich für die präventive Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sind Materialsammlungen, oder Präventionskoffer, die neben Medien, Spielmaterialien, Arbeitsblättern, Filmen, CDs, und vielem mehr auch Informationsmaterial, Begleithefte und Leitfäden für Erwachsene enthalten.
Viele Möglichkeiten der präventiven Arbeit werden von Erzieherinnen, Erziehern und anderen pädagogischen Fachkräften im Alltag bereits praktiziert. Sie leisten bereits täglich wertvolle präventive Arbeit:
- Lieder mit präventiven Inhalten werden mit den Kindern gesungen, dazu getanzt, die Lieder mit Instrumenten begleitet, weiter- und umgedichtet.
- Es werden mit Mädchen und Jungen Erfahrungen rund um den Körper gesammelt: durch sportliche Übungen ebenso wie durch Körperbemalungen.
- Mit Geschichten oder Bildkarten werden mit den Kindern Anregungen zu Rollenspielen, zu Standbildern, pantomimischen Übungen oder zu kleinen Theaterszenen rund um das Thema ‚Gefühle’ gefunden.
- Ausdruckmöglichkeiten für Gefühle werden ferner in Farben, Tönen, Bildern und Skulpturen entdeckt.
(…) Ebenso wichtig wie Spiele und Übungen zu den einzelnen Aspekten sind Reflektion und Austausch darüber. In Gesprächen, die ihren Ausgangspunkt z.B. in der Auswertung einer Körperübung haben, können die weitergehenden Gedanken, Vorstellungen und Fragen der Kinder und Jugendlichen aufgegriffen und diskutiert werden. In der einen Gruppe ergibt sich aus dem Gespräch über eine Körperübung dann vielleicht ein Gespräch über Körperteile, und es werden Benennungen für Geschlechtsteile besprochen. In einer anderen Gruppe läuft das Gespräch vielleicht in eine andere Richtung und es bietet sich eine erste Möglichkeit für die Aufklärung über sexuellen Missbrauch.
Schon im Vorfeld, aber besonders während der Präventionsarbeit, muss gewährleistet sein, dass es bei allen Übungen und Gesprächen, besonders bei Theaterstücken, Filmen und anderen Medien, Rückzugsmöglichkeiten für Kinder oder Jugendliche gibt, für die die Situation zu belastend wird. Dass Präventionsarbeit auch aufdeckende Wirkung haben kann, liegt auf der Hand. Kenntnisse über Interventionsschritte sind deshalb eine Grundvoraussetzung für verantwortliche Präventionsarbeit" (Kruck-Homann 2012, S. 231ff.).
Die einzelnen Präventionsbausteine lassen sich in gezielten Gruppenaktivitäten, Rollenspielen und Unterrichtseinheiten umsetzen, wobei ein Wechsel der Methodik und geschlechtsspezifische Arbeit erforderlich ist.
Die oben angeführten einzelnen Präventionsbausteine können z.B.
- im Deutschunterricht (z. B. sprechen, schreiben, lesen über Gefühle; Lesen von Jugendbüchern, die sexualisierte Gewalt thematisieren),
- im Sachunterricht (Sexualerziehung, mein Körper und meine Sinne),
- im Biologieunterricht (Sexualpädagogik, Thematisierung von Sexualität, Liebe, Gefühlen, sexualisierter Gewalt, sexueller Selbstdarstellung, Pornografie)
- im Kunstunterricht (Kreatives Malen und Gestalten, z. B. Malen von Gefühlen),
- im Sportunterricht (Selbstverteidigung, Bewegungsspiele, Körpererfahrung),
- im Religionsunterricht (Ich und meine Gefühle, Werteerziehung) sowie
- im Musikunterricht (Stimmungsmusik‚ Gefühle vertonen)
- an Projekttagen oder in Medien-AGs (z. B. Thematisierung von sexualisierter Gewalt in Medien) etc. behandelt werden.
Insbesondere die Grundschule bietet aufgrund der Unterrichtsstruktur (Freiarbeit, Projektarbeit, fächerübergreifender Unterricht) eine sehr gute Voraussetzung zur Durchführung interdisziplinärer Präventionsarbeit.
Lehrerinnen und Lehrer brauchen für die Durchsetzung der präventiven Arbeit viel Unterstützung, auch von Kolleginnen und Kollegen. Viele Lehrkräfte leisten, ohne sich dessen bewusst zu sein, schon Präventionsarbeit, indem sie Wert auf eine Gefühlserziehung legen und Kinder in ihrer Identitätsentwicklung wahrnehmen, akzeptieren und unterstützen. Es ist deshalb wichtig, auch die Lehrerinnen und Lehrer zu stärken, sie zu ermutigen und für die Problematik zu sensibilisieren.
Für die erfolgreiche präventive Arbeit ist es bedeutsam:
- langfristig zu arbeiten (kein einmaliges Programm zu 'absolvieren'),
- Wiederholungen der Inhalte vorzunehmen,
- altersspezifische, interkulturelle und geschlechtsspezifische Angebote anzubieten,
- Inhalte handlungsorientiert und ganzheitlich umzusetzen,
- die Präventionsschwerpunkte in einen Kontext einzubinden,
- Arbeitsformen zu wählen, in denen die Kinder selbst aktiv werden können (z.B. in Rollenspielen),
- zeitweiliges Arbeiten in geschlechtshomogenen Gruppen zu ermöglichen,
- die Eltern, Kollegen und Kolleginnen in das Präventionskonzept einzubeziehen und
- die eigenen Verhaltens- und Denkweisen mit Hilfe von Selbstreflexion zu hinterfragen.