Zur Lebenssituation und ggf. zu Krisen von nicht missbrauchenden Vätern gibt es bis heute so gut wie keine Erkenntnisse.
Dirk Bange spricht daher von der "Nichtbeachtung der Väter" im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalterfahrung ihrer Kinder (2011, S. 26). Das trifft sowohl für die wissenschaftliche Diskussion zu, als auch für Forschung und Praxis. Er fordert, dass die nicht missbrauchenden Väter "nicht ignoriert werden" dürfen (2011, S. 40). Ein Nachdenken über väterliche Verantwortung, besonders bei innerfamilialen Missbrauch durch die Mütter, scheint aber tabuisiert zu sein, ebenso wie eine wissenschaftliche Befassung damit. Väter werden in entsprechenden empirischen Studien gar nicht erst befragt. Aber auch bei außerfamilialen Missbrauch werden sie nicht oder kaum in entsprechende empirische Untersuchungen einbezogen (Bange 2011, S. 40). Man könnte es so formulieren: Wenn nicht missbrauchende Väter in irgend einer Weise im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt an ihren Kindern überhaupt wahrgenommen werden, dann wird - und das sehr selten - über sie und so gut wie nie mit ihnen gesprochen.
Da Väter so wenig wissenschaftliche Beachtung finden, ist es fast unmöglich, etwas über ihren Umgang mit dem Wissen über die sexualisierten Gewalterfahrungen ihrer Kinder auszusagen. Auch ihre Befindlichkeiten, ihre psychische Verfassung und ggf. Krisen, entsprechende Bewältigungsstrategien und ihre Lebenssituation bleiben im Dunkeln.
Dirk Bange ist m. W. der einzige, der dieses Thema explizit aufgegriffen und umfassend reflektiert hat. Er behilft sich mit dem Plural "Eltern" und weist einige wenige Arbeiten zu Eltern von sexuell missbrauchten Kindern im englischen Sprachraum aus. Seine sehr empathischen Darstellungen von Aspekten der Lebenssituation dieser "Eltern" (vgl. Bange 2011, S. 63ff.), belegt er mit Zitaten von Aussagen von Müttern. Es sind Ergebnisse aus Studien zu deren Lebenssituation. Banges Beschreibungen sind sehr plausibel, sensibel und kenntnisreich. Vor dem Hintergrund des Fehlens väterspezifischer Forschungsergebnisse ist seine Vorgehensweise legitim, informativ und hat deutlichen Aufforderungscharakter, sich endlich mit dem Thema zu befassen und es zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung zu machen.